Montag, 22. März 2010

Bloggkurs Hilfe zur Selbsthilfe bei der Wetterprognose Kapitel 1

Schön oder Schirch


Hallo,


gemmas an. Im heutigen ersten Kapitel des kleinen Kurses, der dem Wetterinteressierten dazu dienen soll, selbständig mit Profi-Wetterprognosekarten umzugehen, fangen wir mit den wirklichen Basics an. Alles von Grund auf zu erklären würde den Rahmen etwas sprengen, deswegen rate ich an, vorab ein paar Wikipedia-Begriffsbildungen zu studieren, die dort schön abgehandelt sind.


Globale Zirkulation

Gasgleichung

Barometerische Höhenformel

Druckkoordinaten

Geostrophischer Wind


Beim Studium der Profiwetterkarten muss man lernen, mit Betrachtungen in Druckkoordinaten umzugehen, da nahezu alle 3-dimensionalen Parameter der Atmosphäre dort auf Druckflächen dargestellt sind. Das Umdenken ist gar nicht schwer. Wir wissen dass der Druck mit der Höhe abnimmt, und zwar sehr schnell... Anstatt nun auf einer gewissen Höhe den Druck anzugeben, gibt man in Druckkordinaten die geometrische Höhe einer Fläche an, auf der der Druck 1000, 850, 700, 500 , 300 hPa beträgt. Genauer gesagt wird auf den Karten das Geopotential der Hausnummer 700 hPa Fläche angegeben.


Hat man ein Tiefdruckgebiet, so ist auch das Geopotential einer bel. Druckfläche vergleichsweise tief, dh, auf den Karten sehen Tiefs und Hochs in Druckkoordinaten oder normalen kartesischen Koordinaten eh ziemlich gleich aus.


Wir starten mit der Besprechung einer der wichtigsten Karten überhaupt, der so genannten kombiniert 500 hPa Geopotential- und Bodendruckkarte, und schauen uns was was wir daraus über das Wetter aussagen können. Darauf zu sehen ist das Geopotential (die Höhe) der 500 hPa Fläche und der auf Meeresniveau reduzierte Bodendruck , die Karte sieht auf z.B www.wetterzentrale.de so aus:


Das beherrschende Element der Außertropen ist das mäandrierende Westwindband, zu sehen als die Drängung der Isohypsen (Linien gleichen Geopotentials) auf der 500 hPa Karte. Annähernd weht der Wind parallel zu den Isohypsen, und zwar um so stärker, je näher die Isohypsen beieinander liegen (Geostrophische Windgleichung). Ein Wellenzug wird in der Synoptik so aufgeteilt: Ein Trog (auf der Nordhalbkugel meist eine Ausbuchtung tiefen Geopotentials nach Süden) und ein Keil (meist eine Aufwölbung hohen Geopotentials nach Norden) ergeben zusammen einen kompletten Wellenzug. Schon an der Beispielkarte ist leicht zu erkennen, dass Tiefs und Hochs am Boden irgendwie mit den Trögen und Keilen in der Höhenströmung verbunden sind:




An diesem Beispiel einer 500 hPa Bodendruckkarte von www.wetterzentrale.de sieht man die wellenförmig angeordneten Tröge und Keile über Europa und dem Nordatlantik. In Rot: Achsen von Keilen, in Blau Achsen von Trögen (Achse: der Bereich wo die positive/negative Krümmung maximal ist)


Der Titel des heutigen Kapitels, Schön oder Schirch ist so zu verstehen, dass Hochdruckwetter meist mit absteigender Luftbewegung und daher Wolkenauflösung und Sonnenschein verbunden ist, während Tiefdruckgebiete aufgrund aufsteigender Luft und Kondensation (Niederschlag) traditionell mit Schlechwetter verbunden sind. Es ist nun so, dass man sich das aus der Betrachtung der Träge und Keile ganz gut erklären kann, denn diese hängen mit Aufsteigen und Absinken unmittelbar zusammen. Der Zusammenhang wird über die so genannte quasigeostrophische Omegagleichung greifbar, eine geschickte Kombination von statischer Grundgleichung, geostrophischer Windgleichung u.v.m. Omega steht hierbei für die Vertikalgeschwindigkeit.





Sie sieht auf den ersten Blick wild aus, ist aber gar nicht schlimm, wenn man sie nur vernünftig erklärt bekommt.


Es ist eine diagnostische Gleichung, die uns pauschal erklärt wo und warum es zu aufsteigen und absinken kommt. Links steht im wesentlichen:


die 2. räumliche Ableitung der Vertikalgeschwindigkeit ist gleich ….


und rechts stehen verschiedene Terme, die individuell dazu betragen. Zur linken Seite. Das menschliche Hirn ist sicher nicht dazu geeignet im Kopf zweimal zu integrieren, also kann man einfach so aus der zweiten Ableitung sich kein Bild der Vertikalgeschwindigkeit machen. Aber nun Trick 17: Wenn man annimmt, dass die Felder der Vertikalgeschwindigkeit ebenso wellenförmig sind wie Tröge und Keile, was eine berechtigte Annahme ist, so kann man die Vertikalgeschwindigkeit sicher als eine Wellenfunktion (sinus oder Cosinusfunktion) ansetzen. Die sind super einfach abzuleiten, sodass man sagen kann (sinus 2x abgeleitet): die 2. Ableitung der Vertikalgeschwindigkeit ist ganz proportional zu -1*Vertikalgschwindigkeit. Links steht also im wesentlichen: -Omega ist gleich:


rechts stehen nun die Antriebsterme. Verpackt in komplexere Formulierungen steht da


1 Vorticityadvektion

2 Temperaturadvektion


als mögliche Ursachen für Aufsteigen und Absinken.


Zu 1: Im Term steht Zeta für die relative Rotation (Vorticity), f für den Anteil an der Drehung der durch die Erdrotation zustande kommt. Windvektor skalar multipliziert mit dem Gradienten einer Größe ist die Advektion der Größe mit dem Wind.


Anschaulich am Beispiel der Temperatur: Im Ungarn ist es kalt, in der Schweiz warm. Es weht Westwind. Mit dem Westwind wird also wärmere Luft nach Ungarn transportiert (advehiert). Der Gradient ist ein Unterschied und zeigt in die Richtung der stärksten Änderung. Die Komponenten des horizontalen Gradienten ergeben sich als x-Komponente: Ableitung der Größe in x-Richtung und für y analog.


Dann steht im Term genau genommen: die Ableitung nach dem Druck (nach der Höhe) der Vorticityadvektion. Die Zunahme der Vorticityadvektion mit der Höhe verursacht also Vertikalbewegung. Normalerweise nimmt die Advektion mit der Höhe eh immer zu...


Zu 2 Da steht der Laplaceoperator (2. Ableitung) der Temperaturadvektion drinnen. Wir dürfen wieder annehmen, dass die Felder wellenförmig (zellular) sind und daher die 2. Ableitung proportional -1*der Größe selbst ist.

Mit diesen berechtigten Annahmen und Vereinfachungen kann man also sagen, dass sowohl


Advektion (herantransport) von Warmluft


und


Advektion zyklonaler (positiver) Vorticity (Rotation gegen den Uhrzeigersinn)


Aufsteigen bedeuten. (KLA und NVA dem entsprechend Absinken).


Widmen wir uns der Vorticityadvektion: Die Rotation kann an Trögen und Keilen sowohl durch Krümmung als auch durch Scherung zu stande kommen. Die Krümmungsvorticity ist mein an den Trog- und Keilspitzen am größten, stromab dieser Maxima kommt es also zu zyklonaler bzw. antizyklonaler (negativer) Vorticityadvektion. Umgesetzt auf die Höhenwetterkarten: Aufsteigen an der Vorderseite von Trögen, Absinken an der Vorderseite von Keilen.


Die Scherungsvorticity mit den Augen auszumachen ist etwas schwieriger, aber man denke an das Beispiel des Kulis zwischen Handfläche und Tischplatte, man kann sich versuchen vorzustellen in welche Richtung sich ein Luftpaket in gescherter Strömung drehen würde.


Beispiel: starker Westwind im Höhenfeld über Norddeutschland, schwacher Westwind über Bayern: Antizyklonale Scherung.


Auch diese Vortictity wird advehiert, manchmal addieren sich Krümmungs- und Scherungsvorticity, weil beide gleiches Vorzeichen haben, manchmal heben sie sich fast auf.

Wir sehen nun auf den Karten, dass sich die Bodendruckgebilde meist stromab von den Krümmungs/Scherungsmaxima im Höhenfeld befinden und bewegen, weil im Höhenfeld der Grund ihrer Entstehung zu suchen ist.




Prognosetipp: Nähert sich ein Trog, so wird das Wetter meist schlechter, wird jedoch der Keileinfluss stärker, so bessert sich das Wetter, das ist die einfachste Essenz die man aus der Omegagleichung ziehen kann. :-)


Gute Quellen für Profiwetterkarten (GFS) sind:


www.wetterzentrale.de

www.wetter3.de


(Bitte jeweils 500hPa und Bodendruck auswählen)

Praxistipp zu dieser Lektion: Über einige Tage hinweg einfach nur die Bodendruck und 500 hPa Karten (Analyse und Prognose) verfolgen, verfolgen wie sich Tröge und Keile über Europa bewegen und wie das Bodenfeld und die Bodendruckgebilde mit den Höhentrögen und Keilen zusammenhängen bzw. sich mitentwickeln.  Trog- und Keilachsen suchen und sich die Vorticityadvektion stromabwärts dieser Achsen ansehen. Sich versuchen ein Bild über die Scherung zu machen (zyklonal oder antizyklonal)- 

Da wir erst bei Kap. 1 sind, darf man sich davon noch nicht allzu viel erhoffen und das wichtigste was man mitnehmen kann ist wirklich regelmäßig einfach diese Karten zu verfolgen und die Veränderungen zu studieren. Das sollte man erst einmal sitzen lassen, denn die weiteren Kapitel bauen darauf aus.

Beispiel der aktuellen Interpretation der 500 - Bodendruckkarte


Zwei markante Tröge, einer nordöstlich von Österreich, einer über dem Ostatlantik, der aber mehrere Trogachsen aufweist (so genannte eingelagerte Kurzwellentröge). Dazwischen ein Höhenkeil mit seiner Achse in etwa über dem Westen Deutschlands. Ein weiterer Trog über dem westlichen Mittelmeer.


Das Satellitenbild passt herrlich zum ausgeführten: Vorderseitig des Mittelmeertroges viele Wolken, Wolkenbänder auch vorderseitig des Ostatlantikktroges, sowie nicht mehr gut sichtbar beim östlichen Trog über dem Baltikum. Im Bereich des Keiles über Deutschland Absinken und somit kaum Wolken.


Nochmals, wie ich schon vor einigen Wochen erwähnt habe, die QG Omegagleichung,, die dazu äquivalente Geopotentialtendenzgleichung oder Umformungen wie die Q-Vektordarstellung, geben aufgrund der zahlreichen Vereinfachungen, der QG Approximation etc nur ein qualitativ richtiges Bild der Vorgänge, kein quantitatives. Dazu haben wir dann die Modelle, die die sauberen Gleichungen numerisch integrieren. Allerdings, sollte sie jeder in Grundzügen verstehen, denn sonst wüsste man nicht, warum vor Trögen Wolken und Niederschläge entstehen.

Im Kapitel 2 werden wir uns dann der Temperatur widmen.


Lg


Manfred

P.S Fragen oder Anregungen bitte in den Kommentarbereich schreiben, dazu muss man sich nicht anmelden. Ich hab nix davon, wenn ich mir die Seele vom Leib schreibe und die Leserschaft nicht davon profitiert, weil ich zu verknotet schreibe oder sonstwas..

1 Kommentar:

  1. servus,
    hervorragend erklärt, war auf der Suche nach einer guten Erklärung von Trögen und Keilen, du has mir sehr viel geholfen, bin jetzt auf der Suche nach den nächsten Teilen hier auf deinem blog, hoffentlich finde ich die, habe morgen eine Wetterbesprechung ;)
    grüße
    Daniel

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Da kenntat ja jeder kumman ...! Dennoch ... Hier ist Platz dafür :) !